Ein Interview und viele Gedanken über Musik

Miriam Hanika vor einer gelben Holzwand.

7. Juli 2019

Letzte Woche durfte ich Marcel Fischer von Radio Marabu ein Interview geben.

Marcel hat mir eine sehr interessante Frage gestellt, die mich immer noch beschäftigt. In meinem Lied „Der Astronaut“ singe ich über eine Welt ohne Grenzen. Die Frage war, ob eine grenzenlose Welt dazu führen würde, dass die Individualität der einzelnen Kulturen verloren geht.
Es ist schon lange so, dass deutschsprachige Musik in unserem Land einen sehr niedrigen Stellenwert besitzt. Einzig im Schlager und in der Popkultur gibt es wirklich Platz für Texte in unserer Sprache. Allerdings meist aus der Feder einiger weniger Texter. Danach kommt lange nichts und dann, zum Glück, eine große Anzahl unglaublich toller, aber oft wenig bekannter Liedermacher.

Dass das nicht an der Globalisierung liegt, sondern an der Musikindustrie, die uns beigebracht hat, Musik zu konsumieren, statt uns von ihr inspirieren zu lassen, beschäftigt mich schon viele Jahre.

Musikindustrie, was ist das überhaupt? Und wie passen diese beiden Worte zusammen? Ich möchte die Industrie an sich nicht verteufeln, dennoch haben wir in den letzten Jahren angefangen, anzuzweifeln, ob der industrielle Weg immer der Beste ist…
Als Musiker bist du mittlerweile der allgemeinen Auffassung ausgesetzt, dass deine Konzerte ein Event sein müssen, damit die Menschen sie verstehen. Es darf nicht zu komplex werden, wenn schon Text dann bitte auf Englisch, nicht zu anders als das, was gerade sonst so läuft und auch nicht zu lang. Dreieinhalb Minuten im kommerziellen Radio und bloß nicht zu leise oder natürlich belassen, sonst kommt es bei den Hörern nicht an. In meinen Konzerten stelle ich aber immer wieder fest, dass man mit dieser Einstellung das Publikum unterschätzt.

Langsam scheint sich die Welt zu verändern, zumindest im Kleinen. Wir fragen uns, ob das was wir essen gut für uns ist, wir wollen saubere Luft atmen, achtsamer sein, die Ursachen verstehen, statt bloß Symptome zu bekämpfen… dazu gehört für mich auch bewusster zuzuhören und bewusst Musik zu machen – und damit auch die Musikindustrie zu hinterfragen. Dauernd werden wir berieselt, von Klängen und Geräuschen, es ist kein Wunder, dass unsere Musik immer lauter werden muss, damit wir sie noch wahrnehmen.
Über dieses Thema wurden schon vor Jahrzehnten Bücher geschrieben – von bedeutenden Musikern und Autoren wie Nikolaus Harnoncourt oder Joachim-Ernst Berendt. Und ich habe das Gefühl, das jetzt, mit der Entwicklung der letzten Jahre, in denen so viele Menschen, einschließlich mir selbst, diesen explosiven Cocktail aus Höher, Schneller, Lauter, Weiter, Bunter nicht mehr ertragen können, der Punkt da ist, an dem wir auch wieder ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet zuzuhören und Musik in uns aufzunehmen, statt sie nur zu konsumieren.

Und nur so werden wir auch wieder eine Kultur formen, die wir unsere eigene nennen.

Die verschwindet nämlich nicht, weil wir unser Land mit anderen teilen, sondern weil wir sie selbst nicht mehr zu schätzen wissen und sie uns nehmen lassen.

Genauso wie mir im Hinblick auf „Der Astronaut“ hin und wieder Naivität unterstellt wird, da es keine Welt ohne Grenzen geben kann, es nun einmal so ist, etc. pp., werden viele meine gerade geschriebenen Worte als puren Idealismus betrachten. Aber ich bin lieber ein Idealist, als ein Pessimist, denn wo Idealismus ist, gibt es Raum für Veränderung – und die wünsche ich mir für mich, meine Musikerkollegen aber auch für das Publikum.

Ich danke Radio Marabu für das Interview und dafür, dass sie für ein Programm stehen, welches Künstlern abseits des Mainstream eine Plattform gibt.

Das ganze Interview könnt ihr hier nach hören (ab Minute 49).

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