Die Wahrheit über die letzten Tage – und was Social Media dafür kann

Oboenrohre in einer Schachtel vor vor blauem Hintergrund

28. Januar 2024

Diese Woche ist so viel passiert, dass ich kaum hinterhergekommen bin.

Zuallererst ein großes Danke, an alle die bei unserem Abschlusskonzert am Freitag dabei gewesen sind. Mit dem Dandelion Quintett habe ich an diesem Tag meinen zweiten Master bestanden und bin nun Master Master of Music. Der Abschluss selbst ist in unserer Zeit wertlos, aber das, was ich in den letzten Jahren lernen durfte, wiegt diese Tatsache mehr als auf. 

Mit dem Dandelion Quintett habe ich letzte Woche auch eine erste gemeinsame Single unseres kommenden Albums „Windspiel“ veröffentlicht. „Odds in Favor“ für Bläserquintett, Bells und Reverbarator, geschrieben von Simon Popp, könnt ihr euch nun anhören, downloaden oder anschauen.

Aus einem Zufall heraus wurde diesen Freitag auch mein Stück „Firneis“, die erste Single meines kommenden Albums „Schilflieder“ (ab jetzt über meinen Shop vorbestellbar), released.

Gerade in den letzten Wochen habe ich wieder gemerkt, was ich an Musik mag: Sie ist unmittelbar, und zwar ganz besonders dann, wenn sie live gespielt wird. Ich freue mich jetzt schon sehr darauf, im Herbst wieder mit meinen Liedern ins Studio zu gehen, aber es sind die Konzerte, die mich am meisten begeistern.

Es war geplant, dass ich in 2024 etwas weniger spiele, als letztes Jahr, aber jetzt realisiere ich, dass ich das Live-Erlebnis wirklich vermisse.

Wenn man nicht live spielt, ist man als Musiker heutzutage mehr oder weniger unter Zugzwang, alles, was man erschafft, auf Social Media zu dokumentieren. Eigentlich mache ich das sogar gern, denn bis vor einigen Monaten hatte ich das Gefühl, dort meine eigene kleine Welt gestalten zu können, ohne den Drang, mich in den Oberflächlichkeiten zu verlieren. Doch das letzte Jahr hat, zumindest für mich, einiges verändert.

Ich merke, dass meine Posts weniger Menschen erreichen als früher, dass es jeden Tag mehr um Aspekte geht, mit denen ich nicht mithalten kann und will: Schnelligkeit, Schnelllebigkeit, Lautstärke, Quantität, Berechnung. Das sind Raster, in die Musik und Kunst nicht passen.

Gerade der ungeplante Release am Freitag hat mich sehr viel Energie gekostet. Ich habe am Freitag ein einstündiges, virtuoses Prüfungsprogramm gespielt und mich drumherum darüber geärgert, dass auf Instagram und Facebook kein Platz ist für Sensibilität, für das Subtile, für das In-Sich-Gekehrte. Dann habe ich mich darüber geärgert, dass ich mich darüber überhaupt ärgere. Und dann war ich sehr traurig, weil das kommende Instrumentalalbum für mich eine ganz besondere Bedeutung hat und ich Angst hatte, dass niemand es hören wird, obwohl es am Anfang so viel positive Reaktionen nach sich zog. Ein ziemlich unnötiger Teufelskreis. Außerdem ein sogenanntes First-World-Problem.

Da es mich trotzdem immer noch ärgert, ob ich will oder nicht, habe ich beschlossen, es erst einmal auszusprechen. Und mich dann in Zukunft mehr auf meine Homepage und meinen Newsletter zu konzentrieren.

Hier habe ich keine Zeichenbeschränkung, ich muss mir keine Hashtags ausdenken, niemand ist sauer, wenn ich eine Verlinkung vergesse und vor allem: Es gibt keine Likes.

Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass uns Social Media wirklich ernsthaft krank machen kann. Ich glaube Social Media ist wie die Zigarette in den 20er Jahren: man ahnt schon irgendwie, dass das nicht gut sein kann, aber es machen ja alle, darum macht man selbst einfach weiter.

Ich werde auch weiter machen und ich bin auch froh, wenn ihr weiter macht und mich unterstützt. Aber ich möchte zumindest versuchen, einen gesünderen Umgang damit zu finden.

Wenn mir vor zwanzig Jahren jemand gesagt hätte, dass ich als Musikerin später einmal nicht gut spielen muss, sondern besser lerne, einen Algorithmus zu verstehen und mich möglichst plakativ vor ein Handy im Hochformat zu positionieren, hätte ich ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt. Aber leider ist das momentan die Realität, in der wir leben, zumindest dann, wenn man das sein möchte, was wir in unserer Gesellschaft irrtümlicherweise „erfolgreich“ nennen.

Noch seltsamer ist die Tatsache, dass wir alle wissen, dass die Zahlen, die oberhalb eines Profils stehen, in den meisten Fällen nicht mal eine Bedeutung haben. Bis vor einigen Jahren haben sich viele meiner Kollegen Follower gekauft. Bringt eigentlich nichts, aber im Fall des Falles überzeugt es vielleicht die Agentur oder den Booker.

Fake it, till you make it.

Aber ich habe darauf einfach keine Lust.
Und auch, wenn es sich jetzt, nach diesem Text, nicht unbedingt besser anfühlt, glaube ich, dass ich durch das bloße Aussprechen etwas anstoßen kann. Wenn auch nur bei mir. Nur so können sich die Dinge verändern. Man denkt darüber nach, man spricht es aus. Wir alle ahnen es ja sowieso schon:

Nur die echte Welt, ist die, die zählt.

15 Kommentare

  1. Gratulation zum Master!
    Ich verstehe deinen Ärger, ist auch gut ihn auszusprechen.
    Wichtig ist deine wunderbare Musik, jetzt ist und in Zukunft, und das kann dir keiner nehmen.

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    • Danke dir lieber Werner, du hast natürlich Recht mit dem, was du schreibst 🙂

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  2. Hallo Miriam, das Konzert am Freitag war grandios. Neben der unglaublichen Virtuosität aller Musiker hast du mit deinem einzigartigen Oboenton und Musikalität dem Ganzen noch eine Krone aufgesetzt. Sophie Sibille hat begeistert angemerkt, dass du die Oboe zum Singen bringst. Ein wenig erstaunt hat mich, dass der Saal nicht voll von Musikstudenten war, sie hätten eine Menge von euch lernen können.

    Zum 2. Master: ich finde nicht, dass er wertlos ist, beweist er doch, wie ernst ihr die Fortbildung in der Musik nehmt und sogar einen zweiten Master erworben habt. Herzliche Gratulation. Wie viel Musiker haben zwei Master?

    Zu social media: ist das nicht eigentlich ein Geschäftsmodell für Werbetreibende? Unterstützt das nicht in erster Linie die Selbstbespiegelung, Selbstoptimierung, den persönlichen Narzissmus? Es ist wohl in Oberflächlichkeit und Belanglosigkeit kaum zu überbieten. Ganz zu schweigen vom Fehlen echter persönlicher Kontakte, Beziehungen und Freundschaften. Du hast mutig in deinen Liedern auf Unmenschlichkeit, Klimakatastrophe und Rechtsruck hingewiesen, daher ist es für mich nicht verwunderlich, dass du dich in den social medias nicht wohl fühlst. Du bist keine Mitläuferin, die im Strom mitschwimmt, sondern denkst selbständig und äusserst tapfer deine Meinung. Mach bitte so weiter, du wirst mehr gebraucht als je zuvor.

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    • Danke Thomas, ja, Social Media ist mittlerweile wohl nur noch das. Was sehr schade ist, denn das Potenzial war am Anfang groß. Aber nun muss man es nehmen wie es ist.
      Und ich muss dir zustimmen: wertlos ist der zweite Master nicht, zumindest nicht für mich 🙂

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  3. Ärger ist ein wehrhafter Affekt.
    Ich freue mich auch über Zuspruch.
    Spannender ist aber der Widerspruch und bisweilen sogar lehrreich.
    Glückwunsch zum Master Master of ????
    Hoffentlich kocht dir eine/r Hühnersuppe. Werde alsbald gesund!
    Liebe Grüße
    Uwe

    Antworten
  4. Ärger ist ein wehrhafter Affekt.
    Ich freue mich auch über Zuspruch.
    Spannender ist aber der Widerspruch und bisweilen sogar lehrreich.
    Glückwunsch zum Master Master of ????
    Hoffentlich kocht dir eine/r Hühnersuppe. Werde alsbald gesund!
    Liebe Grüße
    Uwe

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    • Lehrreich mit Sicherheit 🙂
      Diesmal war es Master of Kammermusik, falls es die Bezeichnung so überhaupt gibt. Eine Suppe bekomme ich gekocht, danke dir für die liebe Wünsche 🙂

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  5. Hallo Miriam, jedes Deiner Stücke berührt mich. Also mache weiter, wie Du es für Dich als richtig fühlst. Es ist gut so … Danke Dir!

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    • Danke dir Daniel. Am Ende kann ich sowieso nicht anders – auch wenn ich mich mal ärgere, weitermachen will ich immer 🙂

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  6. Liebe Miriam,
    es kommt einem so, dass man in Facebook & Co. seine Juwelen in eine große Wühlkiste gibt, wo sie, umrundet von allerlei Schmutz und Schund, überhaupt nicht mehr glänzen können. Aber man muss dabei auch darauf vertrauen, dass es Menschen gibt, die unbeirrt nach Wertvollem suchen und es auch finden! So wühle auch ich unverdrossen und schon auch etwas mit System im Datenmüll und finde täglich so viele musikalische Highlights von Künstlerinnen und Künstlern, die mir ans Herz gewachsen sind. Ich freue mich immer daran und bin sehr dankbar, dass sie sich mit dieser heutigen so zweifelhaften Internetmedienwelt herumschlagen. Auch dir ein herzliches Dankeschön dafür!
    Liebe Grüße und bis bald, Lorenz

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    • Lieber Lorenz, du bist aber auch, das muss man dir wirklich lassen, ein ausgezeichneter Schatzsucher 🙂 danke dir für deine Worte!

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  7. Liebe Miriam,

    wie schön – Deine Musik / der Master Master / Deine Gedanken / das Feedback hier und und und und … Dich/Euch nur einmal live zu hören ist schon ein ganz besonderes Elebnis – Jede/r sollte es sich vielfach gönnen, es ist immer und immer wieder hörens-/lebenswert und in Nuancen immer wieder anders – ganz von Dir/Euch und der Akustik abhängig 🙂

    … teile die Deine Gedanken und die Ansätze welche im Blog geäußert wurden – liebe Grüße & viele positive Vibes für Dich

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    • Danke dir Steffen, für all deinen Support, immer wieder :)))

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  8. Liebe Miriam, Du sprichst mir aus dem Herzen, was die Social Media Thematik angeht… und es ist wunderschön zu lesen, dass Du Begleiter hast, die auch außerhalb dieser Plattformen Deine Musik finden und genießen. Das macht (mir) Mut dass es eben diese Menschen, dieses Publikum gibt, die tiefer schauen, hören und kommunizieren als es in diversen Kanälen stattfindet…. denn ich bin als Liedermacherin in einer ähnlichen Gefühlssituation wie Du und hadere immer wieder mit der Präsenz auf Social Media.
    Ich mag Deine Musik und Deine Art zu musizieren sehr. Alles Liebe für Dich
    Clara

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    • Danke dir liebe Clara, mir ist ganz klar, dass es vielen Musiker*innen und Künstler*innen geht wie mir. Es tut trotzdem immer wieder gut, sich darüber auszutauschen und auch ehrlich zu sein. Social Media ist ein (Werbe-)Werkzeug, aber es hat eigentlich so wenig mit unsere Kunst zu tun. Ich glaube diese Tatsache muss noch viel mehr nach außen, damit wir als Gesellschaft insgesamt einen gesünderen Umgang mit diesen Plattformen finden.
      Alles Liebe auch für dich, du hast übrigens einen absolut genialen Namen 😉

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