Wenn das Leben leiser wird

Miriam Hanika und ihr Englischhorn im Schilf

16. Oktober 2025

Der Herbst ist da, und auch wenn ich dem Sommer immer ein bisschen hinterhersehne, genieße ich die letzten Wochen sehr.
Viele schöne Konzerte liegen hinter uns, und gerade nehme ich mir zum ersten Mal seit Jahren Zeit: Ich backe Brot, streiche meine Badmöbel, gehe wieder in Yogaklassen und laufe viel. Ich bin gesund, habe genug zu essen und ein Dach über dem Kopf (und das ist mehr, als der Großteil der Welt von sich behaupten kann). Der Rest ist eine Frage der Perspektive – und die hat sich für mich dieses Jahr verändert.

Ich habe festgestellt, dass ich mindestens 20 Jahre meines Lebens damit verbracht habe, mir Sorgen zu machen. Und das, obwohl ich mich als relativ sorgenresistent beschreiben würde. Darüber, dass ich plötzlich vor einem Nichts stehe, aus dem es keinen Ausweg gibt. Sorgen um finanzielle, persönliche und politische Themen:
Was, wenn die Welt sich schneller ändert, als ich mitkommen kann? Wenn ein Krieg ausbricht? Sollte ich mehr an meine Altersvorsorge denken? Eine Zahnzusatzversicherung abschließen? Kinder bekommen? Aufs Land ziehen? Anti-Falten-Creme benutzen? Mehr Zeit für Kontemplation einplanen? Spontaner sein?
Fragen, die sich die allermeisten von uns so oder so ähnlich stellen.
Mittlerweile denke ich mir oft, dass mir das Leben zu kurz ist, um das noch weiter zu tun.
Diese ständige Angst vor dem Leben macht uns viel zu oft handlungsunfähig und ist letztendlich am besten dazu da, um uns daran zu erinnern, wie kostbar unsere Zeit ist.

Also. Nun sitze ich hier und schreibe, weil ich euch gerne an diesen Gedanken teilhaben lassen will. Weil ich glaube, dass viele von uns keine neue Versicherung, sondern einen Moment für sich brauchen, um die Angst ein Stück loszulassen. Einen Moment, in dem man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Damit wir später wieder wertvolle Begegnungen machen können, statt oberflächlich zu connecten. Damit wir wissen, wo wir Nein sagen müssen, um der Welt etwas Nachhaltiges geben zu können – dafür braucht es den Rückzug, dafür braucht es Zeit. Dafür braucht es den Herbst, in dem alles zu Ende geht und wir genau darin die Schönheit der Dinge erkennen können, wenn wir nur wollen.

Im Herbst habe ich noch eine Handvoll Konzerte, ansonsten mache ich genau das: Wenn ich nicht arbeite, ziehe ich mich zurück, schreibe ein paar Lieder über alles, was ich erlebt habe, und atme. Ein und aus.

Ich wünsche euch, dass ihr die Chance habt, das Gleiche zu tun – und wenn’s nur für ein paar Minuten ist. Die Welt da draußen kommt auch mal kurz ohne uns klar.

Wenn ihr euch besonders nachhaltig zurückziehen möchtet, dann kommt doch gerne zu einem unserer Konzerte. Konzertsäle sind für mich (wenn ich als Zuhörerin da bin ;)) der Inbegriff des Rückzugs: Jeder ist mit seinen Gedanken für sich und doch nicht allein. Am Ende geht man nach Hause und hat etwas Unwiederbringliches erlebt.

Am 28.11. findet unser einziges Konzert mit dem ganzen Poesie Orchester in München statt. Wer unser neues Album *innenleben liebt, sollte nicht verpassen, wenn wir diese Lieder mit 14 Musiker*innen im alten Gasteig spielen.

Oh, und wer möchte: Der folker hat einen großen Artikel über *innenleben geschrieben. Nachlesen könnt ihr ihn hier.

Ich wünsche euch einen schönen Oktober und ganz viel Zeit für das, was euch im Leben wichtig ist.

Miriam

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert